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3, 2, 1 - meins!

Heute Morgen bin ich im Dunkeln losgelaufen. Und ich musste durch den Wald... Das war etwas ungewohnt - aber eben auch schön! Die Morgenstunden sind einfach besonders. Der Morgen ist kühl und frisch (und riecht gut) und bringt Energie. Und davon hatte ich heute viel; Energie. Und viel vom Morgen hatte ich auch. Ich hab den Weg heute sehr genossen.

Etwa 5 km vor dem Etappenziel sah ich einen Mann mit dunklen Locken Rosen in seinem Garten gießen und sagte „Hola“ im Vorbeigehen. Er grüßte zurück und fragte, woher ich käme. Über die Antwort freute er sich - Shaun ist zwar Engländer, hat aber jahrelang in Heidelberg gelebt. „Ist dir nichts aufgefallen?“, fragte er. Soweit eigentlich nicht. Er deutete ein paar Meter zurück und da sah ich den OBI-Anhänger :D

Sich mit Shaun zu unterhalten (über seine bücherschreibende Freundin, darüber, dass er in seinem Haus Betten für die Pilger*innen anbietet, die nicht mehr können, über Finisterre...) war sehr schön. Als wir uns verabschiedeten, gab er mir die Hand, schaute mir in die Augen und meinte: “Take care.”

Er hatte eine sehr positive Ausstrahlung, das tat richtig gut!

Nach drei weiteren Kilometern blieb ich stehen, um folgendes Foto zu machen.

In meiner Nähe stand eine andere Pilgerin und fotografierte auch.

Als wir weitergingen, sprach sie mich an. Und es stellte sich raus, dass ich die erste seit Tagen war, mit der Marcia sich unterhielt. Sie sagte mir, ich hätte mir später, ich habe ihr das Camino-Gefühl zurückgegeben. Die Brasilianerin und ich unterhielten uns erst auf Englisch, dann auf Deutsch - sie wohnt nämlich in Basel in der Schweiz.

Marcia wollte noch weiter als ich gehen, aber wir verbrachten noch etwas Zeit zusammen, weil wir eine Aquarius-Limonade (Zitrone, super gut!) trinken gegangen sind, zu der sie mich einlud.

Marcia schien sich ein bisschen verrückt zu machen über Kleinigkeiten und ich hab gerne den Tipp meiner Meditationslehrerin Bettina weiter: Let go!

Nachdem Marcia aufgebrochen war, ging ich kurz in den Supermarkt und dann in die The-Way-Herberge. Dort gab es, mal wieder, noch ein Bett. Die Herberge ist super schön! Sehr modern, alles hell und groß und sauber. Und es gibt W-LAN und eine Steckdose am Bett!

Nach dem Ausruhen wollte ich mich mit Federica, Adrian, Sofia, Ian und Paul treffen. Ich ging los, hörte Musik und dachte „Oh cool, vielleicht sitzen die ja in der Nähe des Straßenmusikers!“. Well, es war kein Straßenmusiker, sondern Paul, der da Gitarre spielte und sang. Es war magisch! Ian ist ebenfalls Berufsmusiker und ich genoss es echt, zuzuhören.

Ich war noch mit Marina, die ich auf dem Weg dahin traf (das erste Mal seit einer ganzen Weile), in die Churreria. Die Churros schmecken hier super! Die Schokosoße könnte man sich tatsächlich aber sparen.

Apropos Essen: Nach den Churros ging es nämlich noch mit Pizza weiter, die ich mir mit Federica teilte.

Jésus (aus Granada) meinte, es fühle sich nach Familie an. Und ja, das stimmt ein bisschen. Camino-Familie eben.

Heute hatte ich zum ersten Mal den Gedanken „Schade, dass es bald vorbei ist.“. Der Gedanke freute mich sehr - denn das heißt ja, dass ich es echt genieße gerade! 3, 2, 1 - meins! Mein Camino! Ich fühl mich eben einfach frei. Und ich hoffe, dieses Gefühl bleibt. Ganz nach dem Spruch an der East Side Gallery in Berlin, den ich im März mit Pasi, Jorden, Marina und Simon entdeckt habe: Du hast gelernt, was Freiheit heißt, und das vergiss nie mehr!

Nun, jetzt liege ich im Bett, denn ich verließ die Gruppe relativ früh, um noch meine Hose zu nähen und mich in Ruhe fertig zu machen. “You have a very good sense of social etiquette”, meinte Ian. Von meinem Timing wolle sie lernen, meinte Sofia. Naja, ich versuch einfach auf mein „Wohlgefühl“ zu hören.

So, jetzt geht‘s in die vorletzte Nacht vor Santiago.

Gute Nacht und liebe Grüße,

Lisa